Was bedeutet ein Notlagentarif in der privaten Kranken­versicherung?

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Notlagentarif der privaten Kranken­versicherung ist ein Sozialtarif für Privatpatienten, die ihre regulären Beiträge nicht länger zahlen können.
  • Im Notlagentarif ist der Leistungsumfang stark eingeschränkt.
  • Die Herabstufung in den Notlagentarif kann rückgängig gemacht werden und lässt sich unter Umständen ganz vermeiden.

Das erwartet Sie hier

Was ein Notlagentarif in der privaten Kranken­versicherung bedeutet, wann Sie in diesen herabgestuft werden können und wie Sie dies am besten vermeiden.

Inhalt dieser Seite
  1. Was ist der Notlagentarif?
  2. Wann komme ich in den Notlagentarif?
  3. Leistungen
  4. Kosten
  5. Rückkehr in Ursprungstarif
  6. Fazit

Was ist der Notlagentarif der privaten Kranken­versicherung?

Mit dem 2013 geschaffenen Notlagentarif soll denjenigen Versicherten geholfen werden, die aufgrund von finanziellen Engpässen ihre Beiträge nicht mehr zahlen können. Sein Ziel ist es, einen besonders günstigen Mindest­versicherungsschutz zu gewährleisten, bis der Versicherte seine kompletten Schulden vollständig abgebaut hat.

Was passiert, wenn privat Versicherte ihre Beiträge nicht mehr zahlen können

Wer eine private Kranken­versicherung (PKV) abschließt, tut das in der Regel in der Überzeugung, dass er sie langfristig bezahlen kann. Doch unerwartete Entwicklungen wie der plötzliche Verlust des Arbeitsplatzes können das jäh sehr schwierig machen. Insbesondere, da die Beiträge der PKV mit dem Alter stetig steigen. Wenn Privatpatienten gar nicht mehr bezahlen können, greift der Notlagentarif. Es handelt sich dabei nicht um einen frei wählbaren Tarif, sondern um einen Sozialtarif für Privatversicherte in einer finanziellen Notlage.


Der Notlagentarif als temporäre Lösung

Durch den Notlagentarif der privaten Kranken­versicherung reduzieren sich die Beitragsschulden temporär zahlungsunfähiger Versicherter. Sie können ihre finanziellen Außenstände dadurch schneller zurückzahlen und anschließend in ihren normalen Tarif zurückkehren.

Ende 2019 betrug die durchschnittliche Verweildauer im Notlagentarif 20 Monate, was einen Anstieg gegenüber dem Vorjahr darstellte.

Hintergrund: Deshalb gibt es den Notlagentarif

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2013 hatten die privaten Krankenkassen über 745 Millionen Euro Ausstände. Rund 150.000 Privatversicherte gehörten zu den sogenannten Nichtzahlern und waren mindestens mit 3 Monatsbeiträgen im Rückstand. Darum wurde per „Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Kranken­versicherung“ der Notlagentarif eingeführt. Unmittelbar nach der Einführung wurden rund 94.000 private Versicherungsnehmer in den Notlagentarif heruntergestuft.

Vor der Einführung waren die unzähligen Beitragsschuldner für die privaten Kranken­versicherungen und die gesamte Versicherungs­gemeinschaft eine doppelte Belastung. Zum einen mussten die übrigen Versicherten weiterhin Altersrückstellungen für die Schuldner aufbauen. Zum anderen sorgten die Beitragsschuldner für höhere Beitragssteigerungen in den jeweiligen Tarifen.

Die in Not geratenen Versicherten steckten in einem Teufelskreis: Sie hatten nicht nur Schulden durch ihren alten Tarif. Aufgrund der länger anhaltenden Nichtzahlung wurde ihr Tarif teurer und sie häuften dadurch noch mehr Schulden an. Davon waren ganz besonders Selbständige und Freiberufler, aber auch Beamte betroffen.

Wann komme ich in den Notlagentarif?

Um in den Notlagentarif eingestuft zu werden, hat der Gesetzgeber ein zweistufiges Mahnverfahren vor­geschrieben. Es läuft wie folgt ab:

  1. Wenn fällige Beiträge nicht gezahlt werden, kann der Versicherer nach 2 Monaten eine erste Mahnung verkünden. Es fallen außerdem Mahnkosten an und ein 1-prozentiger Säumniszuschlag an.
  2. Wenn 2 Monate nach der ersten Mahnung noch mindestens ein monatlicher Beitrag geschuldet wird, gibt es die zweite Mahnung.
  3. Wenn dann weiterhin nach einem Monat ein Beitragsrückstand von einem Monatsbeitrag besteht, erfolgt eine automatische Einstufung in den Notlagentarif des Versicherers. Der alte Versicherungstarif ruht bis auf weiteres.

Ausnahme bei Hilfebedürftigkeit

Wer in Deutschland im Sinne des Sozialrechts hilfebedürftig wird und Anspruch auf das Bürgergeld (früher: Arbeitslosengeld II/Hartz IV) oder auf die Grundsicherung hat, muss nicht in den Notlagentarif wechseln. Die Versicherten müssen einen Nachweis über ihre finanzielle Hilfebedürftigkeit erbringen. Bei Bewilligung erhalten sie vom deutschen Staat einen finanziellen Zuschuss zu ihrem monatlichen Versicherungsbeitrag und dürfen in einen preiswerten Basistarif wechseln. Wer hingegen Arbeitslosengeld I erhält, kann oder muss sogar in die gesetzliche Kranken­versicherung wechseln.

Wenn Sie mehr über Wechsel in, aus und innerhalb der PKV wissen wollen, sehen Sie sich unsere Seite zu diesem Thema an:

PKV wechseln

Experten-Tipp:

„In den Notlagentarif werden Versicherte heruntergestuft, die ihre Beiträge nicht zahlen bzw. nicht zahlen können. Dies gilt allerdings nicht, wenn der Versicherte einen sogenannten Basistarif hat. Versicherte im Basistarif können auch bei Beitragsverzug nicht in den Notlagentarif geschoben werden.“

Foto von Robert Böhrk
Berater

So gehen Sie vor

  1. Haben Sie Mahnungen Ihres Versicherers erhalten oder wurden bereits in den Notlagentarif gestuft, dann prüfen Sie, ob Sie hilfebedürftig im Sinne des Sozialrechts sind. Dies müssen Sie mit einem Nachweis Ihrem Versicherer mitteilen.
  2. Erhalten Sie ALG I, können Sie stattdessen auch in die gesetzliche Kranken­versicherung wechseln.
  3. Erhalten Sie ALG II, dann steht Ihnen der Basistarif der PKV zur Verfügung.
  4. Sind Sie dennoch im Notlagentarif, können Sie erst wieder zu Ihrem Normaltarif wechseln, wenn alle offenen Rechnungen beglichen sind.

Welche Leistungen bietet der Notlagentarif der privaten Kranken­versicherung?

Im Notlagentarif wird der Versicherungsschutz der privaten Kranken­versicherung so weit wie möglich beschränkt. In den meisten Fällen verlangen die Krankenkassen von ihren Versicherten, dass alle vorhandenen Zusatz­versicherungen ruhen. Besitzen die Versicherten eine PKV-Card, dürfen sie diese nicht mehr verwenden und müssen die Karte zeitnah an die Versicherung zurückschicken. Die reduzierten Leistungen gelten auch für andere Personen, für die der Versicherungsnehmer einen Vertrag abgeschlossen hat.

Diese Leistungen werden weiterhin übernommen

  • Kosten medizinischer Leistungen für akute Fälle, für eine Schmerzversorgung und die Kosten während Schwangerschaft und Mutterschaft
  • Behandlung chronischer Erkrankungen
  • Ambulante und stationäre Behandlungen
  • Erstattung von 20 – 50 % der Behandlungskosten für Beihilfeberechtigte (siehe PKV für Beamte)

Alle weiteren Kosten, die zusätzlich zur unmittelbaren Akutversorgung anfallen, müssen die Versicherten selbst bezahlen. Darüber hinaus kann es passieren, dass einige Ärzte die Behandlung verweigern, da sie durch den Notlagentarif weniger verdienen.

Besonderer Schutz für Kinder und Schwangere

Kinder und Jugendliche genießen im Notlagentarif einen besonderen Schutz. Für sie werden

  • Heilbehandlungen, die aufgrund einer Krankheit oder als Folge eines Unfalls nötig sind,
  • Vorsorge­unter­suchungen
  • Früherkennungen
  • und erforderliche Schutzimpfungen

übernommen. Somit erhalten Kinder und Jugendlich eine etwas umfang­­reichere Versicherungsleistung als Erwachsene.

Schwangere dürfen ebenfalls Kontroll- und Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch nehmen. Außerdem gilt eine Unterstützung bei der Entbindung. Dennoch ist diese schutzbedürftige Gruppe der Versicherten mit dem Notlagentarif bei weitem nicht optimal versorgt.

Das kostet der Notlagentarif

Im Notlagentarif entfallen alle vereinbarten Selbstbehalte und Zuschläge des ursprünglichen Normaltarifs. Es werden auch keine Altersrückstellungen gebildet. Im Gegenteil können die bisher an­gesammelten Altersrückstellungen auf den Beitrag des Notlagentarifs angerechnet werden, was den Beitrag noch einmal senkt. Aus diesem Grund gibt es auch keinen allgemein gültigen Beitrag für jeden Versicherten. Die Kosten der PKV werden individuell berechnet.


Etwa 100 – 125 Euro pro Monat

Dennoch kann von Kosten von schätzungsweise 100 Euro bis 125 Euro für den Notlagentarif ausgegangen werden. Je länger Sie im Notlagentarif sind, desto mehr Altersrückstellungen werden aufgebraucht. Ebenso muss weiterhin die Pflegepflicht­versicherung gezahlt werden.

Damit ist der Notlagentarif erheblich günstiger als der Basistarif. Durch den deutlich reduzierten Beitrag soll es erleichtert werden, die angehäuften Schulden zurückzuzahlen. Da der Versicherte im Vergleich zum Basistarif jeden Monat mehrere 100 Euro an Versicherungsprämie spart, sollte dies nach Ansicht des Gesetzgebers zu einer schnelleren Beitragsrückzahlung einschließlich der Säumniszuschläge führen.

Der Notlagentarif ist außerdem arbeitgeberzuschussfähig, was den Beitrag für Arbeitnehmer zusätzlich senkt.


Notlagentarif nur in Ausnahmesituationen: So vermeiden Sie ihn

Prinzipiell sollten Sie vermeiden, in den Notlagentarif gestuft zu werden. Wenn Sie Schwierigkeiten bekommen, Ihren PKV-Beitrag zu zahlen, sollten Sie sich an Ihren Versicherer wenden und mit ihm das weitere Vorgehen besprechen. Sofern Sie nur vorübergehend zahlungsunfähig sind, können Sie um eine Stundung der Beiträge bitten. Mit folgenden Möglichkeiten können Sie die Beitragslast spürbar senken und so die Versetzung in den Notlagentarif vermeiden.

  • Streichen verzichtbarer Leistungen
  • ein höherer Selbstbehalt
  • oder ein Tarifwechsel

Vor- und Nachteile des Notlagentarifs im Überblick

Vorteile

  • Beitragsschuldner bekommen die Chance, wieder in den normalen Versicherungsschutz zurückzukehren
  • Das Anhäufen weiterer Schulden wird reduziert.
  • Die Umstellung von regulären Tarif auf Notlagentarif ist ohne Säumnisgebühren oder Mahngebühren in der Regel auch rückwirkend möglich. So kann die bereits entstandene Beitragsschuld reduziert werden.

Nachteile

  • Anteilige Verrechnung der angesammelten Altersrückstellungen. Dadurch müssen nach Rückkehr in den normalen Tarif höhere Beiträge gezahlt werden.
  • Mit dem niedrigeren Beitragssatz gehen auch stark reduzierte Leistungen einher.
  • Will man die Anpassung des Tarifs für bereits vergangene Monate vornehmen lassen, so kann dies einige Monate in Anspruch nehmen, da dieser Vorgang mit einem hohen bürokratischen Aufwand verbunden ist.
  • Es kann passieren, dass Ärzte Patienten, die im Notlagentarif versichert sind, nicht behandeln wollen, da sie dadurch weniger Geld verdienen

So funktioniert die Rückkehr aus dem Notlagentarif

Wird ein in Not geratener Versicherter automatisch in den Notlagentarif heruntergestuft, ruht sein bisheriger PKV-Tarif bis auf weiteres. In seinen alten Tarif kann der Privatversicherte wieder wechseln, indem er folgende Bedingungen erfüllt:

  • alle offenen Versicherungsbeiträge bezahlen
  • sämtliche Säumniszuschläge sowie Mahnkosten begleichen

Automatische Rückkehr in Ursprungstarif

Wurden diese Bedingungen erfüllt, erfolgt der Wechsel in den ursprünglichen PKV-Tarif automatisch. Das geschieht jedoch nicht sofort. Erst im übernächsten Monat (ab dem ersten Tag) befindet sich der Versicherte wieder in seinem alten Tarif.

Beitragssteigerungen sind möglich

Zusatz­versicherungen, die durch den Wechsel in den Notlagentarif aufgelöst wurden, müssen neu beantragt werden. Das geht mit einer erneuten Gesundheitsprüfung einher.

Beachten Sie auch, dass der Beitrag nun höher als vor der Umstellung ausfallen kann, weil im Notlagentarif anteilig Altersrückstellungen verrechnet wurden. Auch zwischenzeitliche Beitragsanpassungen werden nun berücksichtigt.

Überblick: Normaltarif, Basistarif und Notlagentarif im Vergleich

TarifLeistungenBeiträge
NormaltarifJe nach Tarif: Versorgung auf dem Niveau der GKV ergänzt um individuell gewählte Zusatzleistungen (Einzelzimmer, Chefarztbehandlung, …), zahlt auch Honorare für teurere SpezialistenBemessen sich nach Alter, Leistungsumfang und individuellen Risikofaktoren
BasistarifUngefähr auf dem Niveau gesetzlicher Kranken­versicherungen, nicht länger Übernahme von Arzthonoraren über GKV-NiveauHöchstbeitrag für die gesetzliche Kranken­versicherung plus durchschnittlicher Zusatzbeitrag der gesetzlichen Krankenkassen.
Derzeit (2024) 843,52 €/Monat
NotlagentarifBehandlung akuter Schmerzen und Krankheiten, Versorgung rund um Schwangerschaft und Geburt, Vorsorgebehandlungen und Schutzimpfungen für KinderHöchstbeitrag für die gesetzliche Kranken­versicherung inkl. durchschnittlicher Zusatzbeitrag der gesetzlichen Krankenkassen.
Derzeit (2024) 1.019,48 €/Monat
Gesetzliche Kranken­versicherungFrüherkennung und Behandlung von Krankheiten, Versorgung während Schwangerschaft/Geburt, Krankentransport, zahnärztliche Grundversorgung …14,6% des Bruttoeinkommens, kostenlos für familienversicherte Mitglieder

Fazit

Beim Notlagentarif der privaten Kranken­versicherung handelt es sich um einen Sozialtarif für Versicherungsnehmer, die ihre Beiträge nicht länger zahlen können und hohe Beitragsschulden anzuhäufen drohen. Er bringt jedoch auch beträchtliche Nachteile mit sich, sodass er als Notlösung betrachtet werden sollte. Alternativen sind z.B. der Basistarif oder eine vorübergehende Stundung der Versicherungsbeiträge.

Die häufigsten Fragen zum Notlagentarif der privaten Kranken­versicherung

Was ist der Notlagentarif?

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Der Notlagentarif der privaten Kranken­versicherung ist ein Tarif für diejenigen Personen, die ihren PKV-Beitrag vorübergehend nicht mehr zahlen können. Versicherte werden in diesen eingestuft, es handelt sich nicht um einen frei wählbaren PKV-Tarif.

Was passiert, wenn man die Beiträge zur PKV nicht mehr bezahlen kann?

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Wenn man die Beiträge zu seinem Normaltarif der PKV 3 Monate infolge nicht mehr zahlen kann, wird man automatisch in den Notlagentarif versetzt. Zuvor erhält man mehrere Mahnungen seines Versicherers.

Was kostet der Notlagentarif?

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Die Kosten im Notlagentarif belaufen sich auf monatlich circa 100-125 Euro. Der Notlagentarif umfasst lediglich einen stark reduzierten Leistungsumfang für akute medizinische Behandlungen.

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Katharina Burnus
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