Cyberchondrie – Wenn das Internet krank macht

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Googeln von Krankheits­symptomen kann mildes Unbehagen verursachen, aber auch zur Sucht werden und sehr belastende Ängste hervorrufen.
  • Hyperchondrie bzw. Cyberchondrie sind anerkannte, ernstzunehmende psychische Krankheiten.
  • Selbst wenig hypochondrieanfällige Menschen erleben vorübergehende negative Effekte.

Das erwartet Sie hier

Wieso das Googeln von Krankheits­symptomen seine eigenen Risiken mit sich bringt, was es mit Cyberchondrie und dem Nocebo-Effekt auf sich hat und woran Sie seriöse Gesundheitsinformationen erkennen.

Inhalt dieser Seite
  1. Hypochondrie und das Internet
  2. Cyberchondrie
  3. Richtig recherchieren
  4. Fazit

Hypochondrie und das Internet

Fast jeder hat schon einmal Ursachen für Krankheits­beschwerden gegoogelt. Dieser Vorgang kann sich jedoch schnell von einer harmlosen Suche zu einer Sucht entwickeln.

Das Internet bietet wertvolle Informationen – aber auch einen perfekten Ort für Hypochonder: Egal, welche Symptome man sucht, irgendwo im Internet gibt es sicher einen Beleg dafür, dass man an einer schweren Erkrankung leidet. Kein Wunder, dass immer mehr Menschen von „Cyberchondrie“ befallen sind. Sie prüfen im Internet ihre oft harmlosen Symptome und stehen dabei Todesängste aus.


Das Internet als Fundgrube für Hypochonder

Im Internet finden Menschen mit hypochondrischer Veranlagung schnell die Bestätigung für ihre eingebildeten Krankheiten, was die Ängste noch verstärkt. Aus harmlosen Kopfschmerzen wird dadurch schnell ein Gehirntumor, aus Magenschmerzen eine unheilbare Autoimmunkrankheit.

Das Internet kann hierbei nicht nur als Verstärker der Hypochondrie agieren, es kann gesunde Menschen auch erst zu Hypochondern machen – selbst junge, gesunde Menschen berichteten in einer psychologischen Studie nach fünf Minuten Symptome Googeln, dass sie sich nun mehr Sorgen um ihre Gesundheit machten (Quelle). Hat man einmal mit der Suche nach Krankheits­symptomen angefangen, kann man sich in den Untiefen des „Internets der Krankheiten“ schnell verlieren. So entsteht dann die sogenannte „Cyberchondrie“, auch „Morbus Google“ genannt.


Nicht jede Internetsuche ist krankhaft

Nicht jeder, der ein Symptom im Internet sucht, leidet an Cyberchondrie. Denn sich um die eigene Gesundheit zu sorgen, und Symptome zu googeln, ist ein natürliches Verhalten. Erst wenn die Suche nach möglichen Krankheiten einen festen Platz im Leben einnimmt und krankhaft wird, kann man von Hypochondrie bzw. Cyberchondrie sprechen. Als Faustregel gilt, dass man sich an einen Psychologen wenden sollte, wenn die Angst vor Krankheiten und die Suche nach Symptomen länger als ein halbes Jahr anhält.

Deutschland: Land der Hypochonder

Laut Schätzungen von Experten leiden in Deutschland knapp 10 Prozent der Bevölkerung an Krankheits­ängsten. Als berühmtester bekennender Vertreter der Hypochondrie gilt hierzulande Harald Schmidt. Lustig ist diese Krankheit jedoch nicht, die Betroffenen befinden sich in ständiger Angst vor einer schwerwiegenden Erkrankung. Dies kann dazu führen, dass sich die Symptome noch verschlimmern, weshalb Hypochondrie auch durchaus als ernstzunehmende Krankheit anzusehen ist. Hypochonder können sich oft nicht mehr auf Beruf und Familie konzentrieren, weil die Angst vor Krankheiten ihr gesamtes Leben bestimmt.

Was ist Cyberchondrie?

Gefährlicher als Hypochondrie

Laut US-Forschern ersetzt die heutige „Cyberchondrie“ in vielen Fällen die Hypochondrie. Sie stellt quasi eine verstärkte Form der Hypochondrie dar. Dabei verbindet sich Internetsucht mit der Angst, an einer unheilbaren Krankheit zu leiden. Die Betroffenen sitzen dabei meist stundenlang vor dem Computer und suchen nach den Ursachen für vorhandene oder eingebildete Krankheits­symptome. Der Cyberchonder befragt statt einem Arzt lieber das Internet.

Deshalb ist Cyberchondrie auch oft gefährlicher als Hypochondrie, denn es wird in der Regel kein Fachmann befragt und im schlimmsten Fall eine Selbstmedikation durchgeführt. Ein Arzt kann dem Hypochonder zur Seite stehen und ihm erklären, dass er nicht krank ist, während dem Cyberchonder nur das Internet zur Seite steht und weiter seine Ängste schürt.

Therapieformen bei Cyberchondrie

Da die Erkrankung an Cyberchondrie mittlerweile keine Seltenheit mehr ist, gibt es für dieses Krankheits­bild bereits Therapieformen, die von einigen Therapeuten für Betroffene angeboten werden. In den meisten Fällen bekommen Erkrankte Achtsamkeits- und Akzeptanztrainings verordnet, bei denen sie lernen sollen, wieder ein gesundes Verhältnis zum Internet zu bekommen. Dabei wird die Benutzungsdauer auf eine bestimmte Zeit beschränkt. Das gleiche gilt für den Arztbesuch: Der Arzt darf zwar in regelmäßigen Abständen aufgesucht werden, jedoch nicht aufgrund eines bestimmten Symptoms.

Statt zu Googeln oder den Arzt aufzusuchen, sollen sich Betroffene bei schlimmen Panikattacken an einen Psychologen wenden. Denn meist hat die Angst vor Krankheiten tiefsitzende psychologische Ursachen. Oft sind Erfahrungen aus der Kindheit wie überfürsorgliche Eltern oder Belastungen im Alltag Auslöser für das Krankheits­bild. Ist der Betroffene privat versichert, werden in der Regel die Kosten für verschiedene Therapieformen teilweise oder vollständig von der Kranken­versicherung übernommen.

Mehr zur privaten Kranken­versicherung

Krankheiten & Symptome richtig recherchieren

Wie bereits gesagt, ist nicht jede Internetsuche nach Krankheits­symptomen gleich das Symptom oder die Ursache einer Hypochondrie – vertrauenswürdige Seiten geben Orientierung, an welchen Arzt man sich wenden kann, oder erlauben es, nach einer fundierten Diagnose mehr über die diagnostizierte Störung herauszufinden. Seriöse Seiten sind z.B.

Fehlinformationen und Übertreibungen erkennen

Dennoch ist viel Vorsicht dabei geboten, sich auf den Rat von Medizin-Seiten zu verlassen – eine Studie der Edith Cowan University zeichnete kein sehr positives Bild davon, wie oft englischsprachige Websites mit Diagnosen richtig liegen und wie oft ihre Empfehlung, einen Arzt oder eine Notaufnahme zu besuchen, korrekt ist (Quelle). Bei der Einschätzung der Glaubwürdigkeit einer Gesundheitsseite können Sie auf diese Dinge achten:

  • Wie aktuell sind die Informationen?
  • Wurde der Text von Experten verfasst?
  • Um was für eine Website handelt es sich? Was ist das Geschäftsmodell?
  • Decken sich die Informationen damit, was Sie auch anderswo lesen können?
  • Auf welche Quellen beruft sich der Text?
  • Werden Inhalte stark dramatisiert dargestellt?

Allerdings können selbst Seiten mit zurückhaltend präsentierten Auskünften zu Symptomen Unbehagen hervorrufen.

Der Nocebo-Effekt

Wählerisch dabei zu sein, wie und wie oft Sie Informationen zu medizinischen Themen konsumieren, empfiehlt sich auch, um den sogenannten „Nocebo-Effekt“ zu vermeiden. Dabei handelt es sich quasi um den umgekehrten Placebo-Effekt: Beim Nocebo-Effekt führt die Erwartung von Schmerzen, Medikamentennebenwirkungen oder Krankheits­symptomen dazu, dass diese intensiver oder überhaupt erst wahrgenommen werden.

Fazit

Die im Internet verfügbaren Informationen über verschiedene Krankheits­bilder sind ein zweischneidiges Schwert – wer seine Symptome googelt, riskiert unnötige Ängste, die ein Arztbesuch schnell zerstreuen würde. Im schlimmsten Fall kann sich das Googeln von Symptomen zur Cyberchondrie auswachsen, einer psychischen Krankheit, die Menschen in ihrem Alltagsleben stark belastet. Gegen Cyberchondrie und Hypochondrie hilft eine psychotherapeutische Behandlung.

Anlaufstellen bei Cyberchondrie und Hypochondrie

  • Universität Mainz, Poliklinische Institutsambulanz für Psychotherapie, Behandlungsschwerpunkt Hypochondrie und Krankheits­angst, Wallstraße 3, 55122 Mainz, Dipl.-Psych. Maria Gropalis, E‑Mail: gropali@uni-mainz.de, Internet: psychotherapie-mainz.de/
  • Philipps-Universität Marburg, Dr. rer. nat. Gaby Bleichhardt, Dipl.-Psych.Klinische Psychologie und Psychotherapie, Fachbereich Psychologie, Putenbergstraße 18, D-35037 Marburg, Tel.:+49 (0)6421 282-3691, E‑Mail: bleichha@staff.uni-marburg.de, Internet: https://psychotherapie-mainz.de/
  • Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim, Ambulanz für Krankheits­angst und Hypochondrie, J 5, 68159 Mannheim, E‑Mail: info@zi-mannheim.de, Internet: https://www.zi-mannheim.de/behandlung/ambulante-angebote-ambulanz.html
  • Universität Frankfurt am Main, Institut für Psychologie, Verhaltenstherapie-Ambulanz, Varrentrappstraße 40–42, 60486 Frankfurt am Main, E‑Mail: vt-ambulanz@psych.uni-frankfurt.de

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